FAQ: Müssen Füchse gejagt werden?
5.3 Fuchsjagd: „Müssen“ Füchse gejagt werden?
5.3.1 Oft wird behauptet, es gäbe „zu viele“ Füchse. Stimmt das?
5.3.2 Ist Fuchsjagd dazu geeignet, Wildtierkrankheiten wie die Tollwut einzudämmen?
Lange Zeit versuchte man in Europa, der Ausbreitung der Tollwut durch die radikale Verfolgung von Füchsen, die als
Hauptüberträger dieser Seuche gelten, Herr zu werden. Es gelang jedoch weder, den Rotfuchs großflächig zu dezimieren,
noch die Tollwut unter Kontrolle zu bekommen – im Gegenteil, vielerorts stieg die Ausbreitungsgeschwindigkeit der
Krankheit sogar noch an.
Je mehr Füchse jedes Jahr umkommen – beispielsweise durch die Jagd -, desto mehr werden geboren (siehe
2.4.2 Könne Füchse überhand nehmen/gibt es "zu viele" Füchse?),
und desto mehr Jungfüchse gibt es, die sich im Herbst ein eigenes Revier suchen müssen. Gerade diese Jungfüchse sind
es aber, die auf ihren langen herbstlichen Wanderungen zur Verbreitung von Krankheiten beitragen: Sie begegnen weit
mehr Artgenossen als territoriale, also seßhafte Füchse, und laufen Gefahr, sich bei Revierkämpfen mit der Tollwut oder
anderen Wildtierkrankheiten zu inifizieren oder diese weiterzugeben.
Fuchsjagd trägt also eher zur Ausbreitung der Tollwut als zu ihrer Eindämmung bei. Im Kampf gegen die Tollwut sind
heute tierfreundliche Impfköder („Schluckimpfung für Füchse“) das Mittel der Wahl. Aktuelle Studien weisen massiv darauf hin,
dass ganz ähnliche Mechanismen beim Fuchsbandwurm greifen: Auch hier begünstigt der wachsende Anteil abwandernder
Jungtiere als Folge intensiver Fuchsbejagung die Ausbreitung des Bandwurms; führende Forscher wie etwa der Schweizer
Daniel Hegglin empfehlen daher, das Auslegen von Entwurmungsködern für Füchse mit einem möglichst geringen Jagddruck
zu kombinieren, um die Effizienz der Fuchsbandwurmbekämpfung zu maximieren.
Literatur:
König, A., Romig, T. (2007): Bericht an die Gemeinden des Landkreises Starnberg sowie die Gemeinden Neuried und Planegg über das Projekt Kleiner Fuchsbandwurm im Bereich der Gemeinden im LK Starnberg sowie den Gemeinden Neuried und Planegg im LK München.
Hegglin, D., Ward, P.I., Deplazes, P. (2003): Anthelmintic baiting of foxes against urban contamination with Echinococcus multilocularis. Emerging Infectious Diseases, 10.
Kaphegyi, T. (2002): Untersuchungen zum Sozialverhalten des Rotfuchses (Vulpes vulpes L.), Dissertation, Forstwissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Brsg, Freiburg im Breisgau
Debbie, J. (1991): Rabies control of terrestrial wildlife by population reduction. In: Baer, G.M. (Ed.), The natural History of Rabies. CRC Press, Boca Raton.
5.3.3 Ist Fuchsjagd ein geeignetes Mittel, um bedrohten Vogel- und Säugetierarten zu helfen?
Feldhase (Bild: Marko Kivelä)
In nahezu allen Fällen ist die Antwort auf diese Frage ein klares Nein. In seinem natürlichen Verbreitungsgebiet sind
Füchse nie die Ursache der Gefährdung einer Tierart; diese ist vielmehr in der zunehmenden Zerstörung des
Lebensraumes, der Deckung und des Nahrungsangebots vieler Wildtiere zu sehen. Biologen sind sich weitgehend darin
einig, dass die einzige dauerhaft wirksame Maßnahme, um den Fortbestand dieser bedrohten Arten zu sichern, die
Rücknahme der Gefährdungsursache selbst ist. Es wäre also angebracht, die Flinte zur Seite zu legen und stattdessen
Hecken zu pflanzen, Ausgleich für zerstörte Biotope zu schaffen und die Lebensgrundlagen der gefährdeten Tiere
wiederherzustellen. Selbst Organisationen wie der Ökologische Jagdverein, der ganz sicher nicht in dem Ruf steht,
ein Verband für Fuchsfreunde zu sein, sieht in der massiven Verfolgung des Fuchses zum angeblichen Schutz bedrohter
Beutearten eine gefährliche "Hetze gegen Füchse", die sinnlos Ressourcen bindet und von den tatsächlichen Rückgangsursachen
bedrohter Tierarten ablenkt.
Eine neue, großangelegte Studie in den Niederlanden, die die Erforschung des Einflusses von Füchsen auf die Populationen
bedrohter Wiesenvogelpopulationen zum Inhalt hatte, brachte dementsprechend Entlastung für Meister Reineke:
Beutegreifer im allgemeinen spielten für den Rückgang der Vogelarten nur eine untergeordnete Rolle, und Fuchsrisse im
besonderen erwiesen sich mit durchweg weniger als fünf Prozent der insgesamt von Beutegreifern verursachten Verluste
als völlig unbedeutend (umfassende Informationen dazu in dem Artikel
Füchse in den Niederlanden - Quo Vadis, Reineke?.
Selbst im Extremfall einer räumlich abgegrenzten Population bedrohter bodenbrütender Vogelarten macht es oft aus der Perspektive
des Artenschutzes keinen Sinn, Füchse zu erschießen. Die Verhaltensweisen, das Jagdverhalten und die bevorzugten Aufenthaltsorte des
territorialen Fuchses (=des Revierinhabers) sind den Vögeln bekannt; sie können den Räuber also einschätzen. Außerdem
hält der Revierinhaber Konkurrenten fern, indem er reviersuchende Füchse (und auch andere Beutegreifer) konsequent aus
seinem Revier verjagt. Wird dieser territoriale Fuchs jetzt aber getötet, entsteht ein Vakuum, das eine regelrechte
Sogwirkung auf herumstreunende Füchse aus dem Umland hat. Die Anzahl der Füchse, mit der die bedrohten Vögel
konfrontiert sind, steigt also kurzfristig sogar an, und mehr noch: Die Gewohnheiten dieser Füchse sind ihnen
unbekannt. Damit wächst paradoxerweise die Gefahr, einem Fuchs zum Opfer zu fallen, sogar an.
Dass die großflächige Reduktion von Füchsen mit jagdlichen Mitteln unmöglich ist, wurde vielfach zweifelsfrei belegt.
Nur dort, wo mittels extremer Fuchsbekämpfung überhaupt eine drastische örtliche Ausdünnung oder sogar Ausrottung von
Füchsen - und natürlich allen anderen relevanten Beutegreifern - erreicht werden kann, lässt sich überhaupt eine
Konstellation konstruieren, in der Restpopulationen einer Beuteart durch Fuchsverfolgung geholfen werden kann. Ob
jedoch der gewaltsame Tod Hunderter oder Tausender Füchse, Marder, Krähen und Greifvögel pro Jahr zur Verlängerung des
Überlebens einer wenige Dutzend Tiere zählenden Vogelpopulation ethisch rechtfertigbar ist, steht auf
einem ganz anderen Blatt. Und ob die dazu eingesetzten finanziellen und personellen Ressourcen nicht weitaus besser
und effektiver in Maßnahmen zur Restrukturierung des Lebensraums der bedrohten Art und demnach zur dauerhaften,
nachhaltigen Sicherung ihres Überlebens eingesetzt werden könnten, ebenfalls.
Literatur:
Heidemann, G. (2002): Notwendig? Zeitgemäß? Mit Fallen? Jagd auf Raubsäuger in Schleswig-Holstein. Betrifft: Natur 4, 8-10.
W. Teunissen, H. Schekkerman, F. Willems (2006): Predatie bij weidevogels. Opzoek naar de mogelijke effecten van predatie op de weidevogelstand.
Mayr, C. (2003): Der lange Weg zur Novelle des Jagdrechts. Berichte zum Vogelschutz 40, 75-79.
Kornder, W. (2001): Ökologischer Jagdverein gegen sinnlose Fuchsbekämpfung. Ökojagd 3.
5.3.4 Was wären die Konsequenzen, wenn man die Fuchsjagd abschaffen würde?
Wie man an den Beispielen jagdfreier Gebiete erkennen kann, wären weder aus ökonomischer, Arten- oder Tierschutzsicht
negative Konsequenzen zu erwarten. Die Populationsdichte der Füchse würde sich auf einem Maß stabilisieren, dass im wesentlich den aktuellen
Gegebenheiten entspräche; das Gefährdungspotential für Beutetiere würde damit keinesfalls zunehmen. Würde man zeitgleich
die Bejagung derzeit noch verfolgter Beutearten - etwa des Feldhasen - einstellen, stünde sogar eine positive
Bestandsentwicklung der betreffenden Tiere zu erwarten.
Für die Füchse selbst würde ein Jagdverbot bedeuten, dass sich wieder stabilere Familien- und Paarbindungen etablieren
könnten; die mittlere Lebensdauer der Füchse würde zunehmen, während individueller Stress, Geburten- und Sterberaten
sänken. Vermutlich würde überdies die Stabilität der Fuchsreviere zunehmen.
Uneinheitlich wären die Folgen für den Menschen: Viele würden sich daran erfreuen, Füchse leichter beobachten zu
können; andere müßten hinnehmen, dass es keine neuen Fuchsfelle mehr zu kaufen gäbe, und manche müßten auf ihre Freude
an der Fuchsjagd verzichten. In England wird im Hinblick auf die „traditionelle Fuchsjagd“ mit Pferden und
Hundemeuten zudem oft argumentiert, dass viele Arbeitsplätze von der Jagd abhängig seien - für die in Deutschland,
Österreich und der Schweiz praktizierte Form der Fuchsjagd gilt dies jedoch mit Sicherheit nicht. Die Produktion
etwa von Totschlagfallen oder Munition und Gewehren für die Bejagung von Meister Reineke stellt hierzulande keinen
erwähnenswerten Wirtschaftsfaktor dar.
Alles in allem ist es ein individuelles Urteil, welche der Seiten - pro oder contra - schwerer wiegt. Wie immer,
wenn es um die Jagd geht, sollten wir uns jedoch vor Augen halten, dass neben der Erhaltung einer intakten Natur
auch Leiden und Tod fühlender Lebewesen Gegenstände einer Solchen Entscheidung sind.
Jäger beim sogenannten "Streckelegen"
getöteter Füchse (Bild: Fam. Pelli)
Ergebnis einer "Fuchswoche":
Erschossene Füchse in einem Anhänger
(Bild: Fam. Pelli)